Auch wenn es mittlerweile immer mehr Freie Schulen gibt, sind diese immer noch der Exot in der Schullandschaft. Einer breiten Öffentlichkeit sind diese Schulen schlicht oft nicht mal bekannt. Was vielleicht auch daran liegt, dass jede Schule ihr eigenes Konzept verfolgt und das verbindende manchmal nur die freie, also nicht staatliche Trägerschaft ist, jede Schule quasi ein Einzelkämpfer ist. Es kommt daher auch immer wieder vor, dass ich auf Vorurteile gegenüber der Freien Aktiven Schule und dem Kindergarten (FAS) treffe. Sei es in meinem persönlichen Umfeld. Oder bei den Kommentaren zu Zeitschriften- und Internet-Artikeln, die die FAS betreffen. Ich gebe es ehrlich zu, ich hatte diese Vorurteile auch, bevor ich selbst an die FAS kam. Mittlerweile bin ich seit einigen Jahren an der FAS engagiert und hatte genügend Zeit diese Vorurteile zu überprüfen. Hier gibt es nun meine FAS-Meinung dazu.
Meine Vorurteile und Fragen
Wie, die Kinder dürfen frei entscheiden, wann sie was lernen möchten? Wie soll das möglich sein? An der FAS wird verstärkt Elternmitarbeit gefordert? Können und wollen wir das als Familie leisten? Ist mir das alternative Konzept zu mühsam? Sind die Menschen an der FAS für mich vielleicht etwas zuuuu alternativ? Was wird aus meinem Kind, wenn es so frei und ohne Stundenplan lernt? Hat es dann überhaupt gute Chancen im Arbeitsleben?
Solche und ähnliche Fragen stellte ich mir, bevor ich mein Kind an der FAS im Kindergarten anmeldete und bevor ich die FASler selbst kennen lernte. Als ich dann beim ersten Kontakt die Kindergarten-Begleiter und andere Eltern kennen lernte, war schnell klar: Das Grundgefühl passt für mich. Mein Kind und ich wurden herzlich empfangen und alle waren uns gegenüber sehr offen. Besonders bei den Begleitern hatte ich endlich mal das Gefühl in einem Kindergarten als Elternteil auf Augenhöhe zu stehen und kam mir nicht wie ein Bittsteller vor. Die ersten Vorurteile waren damit aus dem Weg geräumt, viele Fragen blieben aber für mich offen.
Angekommen? Angekommen.
Nun sind wir als Familie seit bald 3 Jahren engagiert. Und mittlerweile möchte ich die FAS-Gemeinschaft nicht mehr missen. Es sind für mich Freundschaften entstanden. Es tut mir so wohl unter Gleichgesinnten zu sein, zusammen zu arbeiten, sich auszutauschen und gemeinsam Probleme zu lösen. Unter gleichgesinnt verstehe ich beispielsweise, dass wir dort alle das Beste für unsere Kinder wollen (wie wohl alle Eltern). Dass wir ihnen eine schöne, unbeschwerte, freie Kindheit ermöglichen möchten. Dass wir sie gleichwürdig behandeln, mit ihnen in Beziehung gehen und bindungsorientiert mit ihnen leben.
Wie das konkret aussehen soll, da hat natürlich wieder jede Familie ihre ganz eigenen Vorstellungen. Und die vielen Meinungen sorgen auch regelmäßig für Diskussionen. Daher ist das Miteinander an der FAS tatsächlich nicht immer einfach. Eben weil uns unsere Kinder so sehr am Herz liegen, schießen wir Eltern manchmal auch über das Ziel hinaus. Dazu haben wir die unterschiedlichsten familiären und beruflichen Hintergründe. Vom Handwerker, über den Daimler-Angestellten, den Anwalt, die Floristin, den Architekten, die Hebamme, die Gymnasiallehrerin bis hin zum professionellen Opernsänger, dazu noch jede Menge Selbstständige – eine sehr große Bandbreite an Berufen ist an der FAS vertreten. Dass da die Meinungen auseinander gehen, ist eher die Regel, als die Ausnahme.
Herzblut und Diskussionen
So wie sich manche meiner Vorurteile als falsch heraus gestellt haben, wurden einige meiner Befürchtungen also eher bestätigt. Ja, es ist manchmal mühsam an dieser Schule und diesem Kindergarten zu sein. Jeder darf sich äußern und wird angehört. Elternabende können sehr lange dauern und auch Entscheidungsfindungen sind nicht immer einfach. Manchmal braucht es einen langen Atem, bis sich Dinge verändern und Entscheidungen umgesetzt werden.
Ein Beispiel: Vom ersten Gedanken bis zur vollständigen Umsetzung dieses Blogs sind viele Monate vergangen. Nicht nur meine Meinung zählte, sondern auch die Meinung vieler weiterer Menschen, die mit am Blog gearbeitet haben oder für die Kommunikation an der FAS zuständig sind. Sie alle hatten ihre Vorstellungen, die sie einbrachten und die mit umgesetzt wurden. Ja, es kommt bei unterschiedlichen Meinungen auch mal zu hitzigen Diskussionen. Und ja, bei so viel Engagement fühlt sich der ein oder andere auch mal auf den Schlips getreten, wenn man in seinen Verantwortungsbereich eindringt. Aber gerade dieses Engagement, dieses Herzblut, macht die FAS auch so besonders.
Fazit: Die FAS ist nicht perfekt
Mittlerweile bin ich mir sicher, dass die FAS für mein Kind der richtige Weg ist. Wenn ich sehe, wie es dort aufblüht, sich in seinem eigenen Tempo die Kindergarten- und Schulwelt erobern darf. Wie ihm die Übergänge leicht gemacht werden. Wie es dabei begleitet wird von Menschen, die ihm ans Herz gewachsen sind. Es wird nicht an meinem Kind gezogen, es wird dort nicht in eine bestimmte Richtung erzogen, es darf einfach sein wie es ist. Das ist so viel mehr, als ich alleine zu Hause und in unserem Alltag hin bekomme.
Und wenn ich dann sehe, wie viel mein Kind schon weiß und bisher im Kindergarten gelernt hat: Sei es ein wenig Schreiben, Lesen und Rechnen. Oder sei es Empathie, Kompromissbereitschaft und Rücksicht nehmen. Und nicht zu vergessen Klettern, Tanzen oder verantwortungsvoll mit Werkzeug arbeiten. Wenn ich das sehe, vertraue ich meinem Kind, dass es in der Schule genauso weiter machen wird – in seinem Tempo.
Und mit dieser Einsicht fallen all die anderen vermeintlich negativen Punkte hinten runter. Egal, dass die Elternabende auch mal länger dauern können. Und die geforderte Elternarbeit ist nicht nur lästig, sie kann sogar richtig Spaß machen. Die FAS-Gemeinschaft ist zwar durchaus alternativ, außergewöhnlich und bunt, aber ich habe bisher immer einen Anknüpfungspunkt bei meinem Gegenüber gefunden, um mich auszutauschen. Denn alle gehen sehr offen und vorurteilsfrei miteinander um. Im Gegensatz zu mir, scheinen vielen hier Vorurteile fremd zu sein und sie nehmen ihr Gegenüber an, wie es ist.
Meine FAS-Meingung ist daher: Nein, ich persönlich finde, die FAS – egal ob nun Schule oder Kindergarten – die FAS ist nicht perfekt! Aber für uns ist sie gerade perfekt genug!
Wenn du dich nun selbst davon überzeugen möchtest, ob die FAS auch für dein Kind perfekt genug wäre, kannst du dich beispielsweise an einem Tag der offenen Tür, den es sicherlich auch in 2019 wieder geben wird, informieren. Oder an einem der Informationsabende für interessierte Eltern. Bilde dir deine eigene FAS-Meinung.
Aber Vorsicht: Es könnten sich gewisse Vorurteile in Luft auflösen!
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FAS-Meinung von Antje: Im Gleichschritt, marsch?
Ich glaube, dass der Kindergarten und die Schule für Kinder und Jugendliche an der FAS völlig perfekt ist. Was an der Perfektionsfrage immer wieder nagt, liebe Daniela, hast du ja sichtbar erkannt. Wir Eltern mit den vielen unterschiedlichen „professionellen“ Berufen und persönlichen Hintergründen bekommen beim miteinander Wirken an der Schule eben immer wieder vor Augen geführt, dass es eigentlich eher wir sind, die noch eine Menge zu lernen haben, um letztendlich mit den aus dieser Kindergarten- und Schulform hervorgebrachten Kinder, mit ihrer Selbstbestimmung und Eigenverantwortung, mit ihrer erhaltenden und gestärkten Würde, als Vater und Mutter noch kompatibel zu seinem Kind zu sein. Der Wunsch, dass die Würde unserer Kinder erhalten bleibt, hat uns Eltern ja unsere Kinder an diese Bildungseinrichtung bringen lassen, das ist meist die Ausgangssituation, denn Eltern denken wohl meist zuerst an ihre Kinder. Wenn man dann mit seinen Kindern länger drin ist, merkt man bald auch eine eigene Veränderung, ein Verlangen nach Änderung, die manchmal nicht leicht zu erkennen und auch zu akzeptieren ist. Dann fängt man an, über Perfektion nachzudenken, die eher die Elternebene betrifft. Ich für mich habe bemerkt, dass ich scheinbar genauso viel wie meine Kinder an diesem Bildungsort noch dazu lerne, meine Einstellungen zu mir und zu Anderen hat sich sichtbar geändert, mein Privat- und Berufsleben konnte ich aufgrund dieser Schule und Eltern inhaltlich besser erkennen und zufriedener ausrichten und gestalten, wofür ich sehr dankbar bin. Aus dieser Perspektive betrachtet ist die Frage, ob die FAS perfekt ist, vielleicht doch mit einem klaren JA zu beantworten.
Das ist nett: „Vom Handwerker, über den Daimler-Angestellten, den Anwalt, die Floristin, den Architekten, die Hebamme, die Gymnasiallehrerin bis hin zum professionellen Opernsänger“
Alle außer dem Opernsäger nicht keine „Professionellen“! 🙂
Aber ansonsten eine sehr gute Darstellung!
Ich muss ehrlicher Weise sagen, dass ich den professionellen Opernsänger noch nicht selbst gehört habe und daher nicht weiß, wie professionell er ist ;-). Ich wollte damit eigentlich nur ausdrücken, dass es keine Florence Foster Jenkins ist. Sondern jemand, der damit hauptberuflich seine Brötchen verdienen kann. Was in dieser Branche nicht unbedingt üblich ist, da viele tagsüber Lehrer sind und abends ihre Konzertauftritte als Solo-Sänger haben.