Die Freie Aktive Schule Stuttgart (FAS) existiert seit dem Schuljahr 2002/03. Es gibt mittlerweile also schon eine stattliche Anzahl an jungen Erwachsenen, die ihre komplette Schulzeit an der FAS verbrachten und verschiedene Abschlüsse vorweisen können. 2018 zählen wir u.a. bereits den dritten Jahrgang von Abiturienten, die bis zu ihrem mittleren Abschluss die FAS besucht hatten. Allerdings ist es nicht möglich, an der FAS direkt einen Schulabschluss zu erwerben. Wie funktioniert das dann also genau? Welcher Schulabschluss ist mit der FAS möglich? Und wie können die Schüler diesen erreichen? Das möchte ich heute im Blog erklären.
Die Struktur an der FAS
Die FAS ist ein Bildungshaus, bestehend aus Kindergarten und Grundschule mit Werkrealschule. Die Schule ist aufgeteilt in drei Stufen: Primaria, Sekundaria und Tertia. In der Primaria finden sich alle Kinder wieder, die im Grundschulalter sind. Die Kinder der Sekundaria entsprechen den Klassenstufen 5 bis 6, manche bleiben auch freiwillig ein 7. Jahr in der „Seku“. In der Tertia sind Jugendliche, die an einer Regelschule die Klassenstufen ab Klasse 7 bis 10 besuchen würden.
An der FAS wird dabei nicht nach Klassenstufen getrennt, denn die Übergänge sind fließend. So kann man sich beispielsweise Zeit lassen mit dem Lesen und kommt nicht unter Druck, wenn es etwas länger dauert.
Es gibt auch keine Klassenräume im herkömmlichen Sinn. Allerdings sind für manche Altersgruppen bestimmte Räume zur hauptsächlichen Nutzung vorgesehen. So gibt es mehrere Themen-Räume, die eher für die Bedürfnisse von Grundschulkindern eingerichtet sind. Die Jugendlichen der weiterführenden Schule haben Räume zu ihrer Verfügung, in denen konzentriert gelernt werden oder auch „unter Großen“ gesprochen werden kann. Jüngere dürfen diese Räume wohl betreten, haben aber meistens kein besonderes Interesse daran. An anderen Orten der FAS (z. B. im Malraum, im Außengelände oder in der Turnhalle) sieht man dagegen immer wieder Kinder und Jugendliche verschiedener Jahrgänge in einer ganz natürlichen und lebendigen Interaktion.
Projektarbeiten und Stufenwechsel
Die Übergänge zwischen den drei Stufen der Schule werden durch spezielle Projektarbeiten markiert, die die Kinder selbstständig erarbeiten und präsentieren. Dabei werden unterschiedliche Kompetenzen bzgl. Selbstorganisation, Eigenverantwortung, praktischen Fähigkeiten sowie Lesen und Schreiben benötigt und gezeigt.
Die Entscheidung und Verantwortung, wann die Kinder von der einen zur nächsten Stufe wechseln, möchten wir grundsätzlich und soweit als möglich in die Hände der Kinder /Jugendlichen geben, wird jedoch gemeinsam mit den Begleiter*innen erarbeitet. Der Prozess wird damit eng von den Erwachsenen begleitet, denn beim Treffen einer solchen Entscheidung, werden manchmal auch Widerstände und Hindernisse erscheinen und überwunden werden müssen.
In diesem gemeinsamen Prozess wird gleichzeitig die Frage thematisiert, welche Motivation das Kind schlussendlich dazu veranlasst, weiterkommen zu wollen: Sei es, weil die beste Freundin ebenfalls wechselt oder weil man im Bezug auf die klassisch schulischen Themen mehr lernen möchte. In der Regel spüren unsere Kinder und Jugendlichen sehr genau, wann für sie der Wechsel in die nächste Stufe dran ist und ob sie sich reif dafür fühlen. Durch das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen wächst unter anderem auch der Bezug zu der vielseitigen Selbstwirksamkeit weiter und so ist der Wechsel auf jeden Fall ein wichtiger Reifeprozess, den wir möglichst bewusst gestalten wollen.
Prüfung an staatlichen Schulen
Ab Ende der Tertia können sich die Jugendlichen gezielt auf die Hauptschul- oder Werkrealschulprüfung vorbereiten. Die beiden Prüfungen werden als externe Schulfremdenprüfung an anderen Stuttgarter Schulen absolviert. Die FAS-Jugendlichen gehen also an ganz normale staatliche Schulen und werden dort von deren Lehrkräften zusammen mit den dortigen Schülerinnen und Schülern schriftlich und mündlich geprüft.
Bisher haben knapp 60 Jugendliche die FAS mit einem bei uns vorbereiteten Abschluss verlassen. 20 FASler haben ihren Hauptschulabschluss und 40 Schüler den mittleren Abschluss erfolgreich abgelegt.
Bisher hat die FAS immer sehr gute Rückmeldungen von den Prüfungsschulen zu ihren Prüflingen bekommen. Das waren insgesamt vier verschiedene Schulen – weil immer weniger Werkrealschulen existieren, die Prüfungen abnehmen können, musste die FAS öfters die Schulen wechseln. Die prüfenden Lehrerinnen und Lehrer freuten sich über die – manchmal ausgefallenen – Themen der Hausarbeiten sowie die meist gute Vorbereitung. Ein gutes Feedback gab es vor allem immer wieder zur Persönlichkeit der Jugendlichen, die vor allem in der mündlichen Prüfung sichtbar wird.
Wege nach der FAS
Danach haben die FAS-Absolventen mehrere Möglichkeiten: Einige wählen ein Freiwilliges soziales Jahr bzw. den Bundesfreiwilligendienst oder nehmen sich Zeit für Praktika und Reisen zur inneren Orientierung. Wer möchte beginnt eine Ausbildung.Hier eine Auswahl, welche Ausbildungsberufe die bisherigen FAS-Absolventen gewählt haben: Erzieherin, Steinmetz, Modedesign, Elektriker, Hauswirtschafterin, Fensterbauer, Restaurantleitung, Gartenbauer, Friseurin, Hotelfachfrau, Schauspielausbildung, usw. Etliche haben mittlerweile ihren Gesellenbrief in der Tasche und arbeiten in ihrem Beruf.
Viele der FAS-Abgänger wechseln auch aufs Gymnasium. Da die FAS nur bis zur Werkrealschule geht, kann sie für das Abitur keinen Rahmen bieten. Etliche Gymnasien nehmen unsere Absolventen sehr gerne auf, da sie mit Abgängern der FAS gute Erfahrungen gesammelt haben. In den Rückmeldungen, die uns erreichen heißt es, die Schüler seien „runde Persönlichkeiten“, „sozial kompetent“, „lernfreudig, interessiert, lebendig und wach“. Viele sind Klassen- oder Schulsprecher/innen und engagieren sich für die Schulgemeinschaft. Bereits 14 FAS-Schüler haben so das Abitur als Abschluss erreicht, mehrere von ihnen waren unter den Jahrgangsbesten.
Ungewöhnlich für eine kleine Schule wie die FAS ist, dass schon drei unserer Abgängerinnen Auslandsstipendien bekommen haben und jeweils ein Jahr an einer High School in Amerika verbringen konnten. Eine FAS-Absolventin bekam vor wenigen Monaten ein Vollstipendium der deutschen Studienstiftung.
Erste FAS-Student/innen
Die jungen Erwachsenen, die das Abitur oder die Fachhochschulreife in der Tasche haben, haben mittlerweile unterschiedlichste Wege eingeschlagen: Studium der Psychologie, Politikwissenschaften, Architektur, Ethnologie, Erziehungswissenschaft, Mediengestaltung, Wirtschaft. Auch Reisen, Praktika oder Ausbildung sind dabei. Jedes Jahr lädt die FAS ehemalige Schüler zum Besuch und Austausch ein. Es ist für uns immer sehr interessant, von ihren unterschiedlichen Bildungs- und Lebenswegen zu hören.
Und wie viele haben abgebrochen oder keinen Abschluss?
(Ergänzung vom 27. Oktober 2018)
Grundsätzlich sehen wir den Weggang vor der 9. Jahrgangsstufe nicht als Abbruch. Es gibt die unterschiedlichsten Gründe für den Schritt: z. B. Umzug oder familiäre Gründe. Es kann auch sein, dass bei Eltern das Gefühl entsteht, die FAS passe doch nicht zu ihren Kindern oder zu ihrer Familie. Denn an der FAS geben wir den Kindern die Freiheit im eigenen Rhythmus zu lernen, wodurch manche Kinder Lernthemen zu einem anderen Zeitpunkt aufgreifen als in anderen Schulen. Das kann für Eltern sehr herausfordernd sein. Oder Jugendliche wollen sich auf ein bestimmtes Abitur (z. B. an der Waldorfschule) einstimmen und wechseln deshalb früher die Schule. Je älter die Kinder, desto selbstbestimmter gehen sie solche Schritte. Das sind einige der Gründe für ein Verlassen der FAS vor Ende der 9. Jahrgangsstufe. Bisher sind nur zwei Jugendliche ohne Abschluss von der FAS gegangen.
Vielen Dank für den informativen Blog!
Wie viele Schüler gehen denn von der FAS ohne Schulabschluss ab, oder brechen die Schule vorzeitig mit einem Wechsel auf eine andere Schule ab? Oder wollt ihr das nicht verraten?
Vielen Dank Sebastian für deine Fragen! Tatsächlich haben wir beim Schreiben des Artikels gar nicht an diese Zahlen gedacht. Ich habe heute einen Absatz zu deinen Fragen ergänzt, denn sicherlich wird das auch andere Eltern interessieren.