Fast eine Stunde früher als verabredet fuhr ein Reisebus an der Freien Aktiven Schule Stuttgart vor. Neugierige, aufgeregte Kinderblicke am Schultor: Sie kommen! Wer kommt? 21 SchülerInnen und drei LehrerInnen – ein Schulchor aus China! Genauer aus Changchun, einer Industriestadt im Nordosten Chinas mit etwa 3,4 Millionen Einwohnern. Der Schulchor nahm im Rahmen eines Kulturaustausches teil am „East meets West Jugendmusikfestival“ – organisiert durch den „DAS (Deutschland-Asien-Service) Internationales Kulturprojekt e.V.“ in Stuttgart.
Gabriele Groß (Geschäftsführerin der FAS): „Die chinesischen Oberstufenschüler sind derzeit auf einer 12-tägigen Europareise und waren drei Tage in Deutschland. Dabei wollten sie auch eine alternative Schule besichtigen.“
Anmerkung: Der typische Schulunterricht in China beruht auf einem streng vorgegebenen Curriculum, Frontalunterricht und Auswendiglernen. Für Individualität, Experimente und Kreativität ist dort kaum Platz. Seit 2015 gibt es Bestrebungen das Montessori-System auch in China einzuführen, ergänzt durch spezielle Elemente welche auf das chinesische Erziehungssystem zugeschnitten sind.
Großes Interesse und große Heiterkeit
Der Projektraum Nord füllte sich schnell und reichte gerade so aus für den Besuch aus China und die interessierten Kinder und Jugendlichen der FAS. Nach einer kurzen Einführung in das besondere Schulkonzept probierten ein paar chinesische Jugendliche zusammen mit FAS-SchülerInnen das Goldene Perlenmaterial von Maria Montessori aus. Sie hatten das Prinzip schnell verstanden. Und sorgten für viel Heiterkeit bei ihren MitschülerInnen, welche sich schnell auf alle Anwesende übertrug. Staunend folgte der Besuch Johanna, der achtjährigen Schulführerin durch die Schule. Beeindruckt waren sie vor allem durch die vielen Möglichkeiten, kreativ und experimentell tätig zu sein. Ein Schüler staunt angesichts der Freiheit sich auch im Außengelände auszutoben und war fassungslos: „Really, fire?“
Gabriele Groß: „Die Schüler aus China meinten, dass sie unsere Schule und die Freiwilligkeit wie ein Paradies empfinden.“
Mit Geschenken und einer Musikeinlage brachten die chinesischen Jugendlichen den FAS-SchülerInnen dieses fremde Land etwas näher. Der Höhepunkt des Besuchs war der Chorauftritt: Das erste Lied, ein traditionelles chinesisches, sangen die Jugendlichen noch auf ihren Stühlen. Beim zweiten Lied „Die Gedanken sind frei“ waren die FAS-SchülerInnen eingeladen mitzusingen. Nun gab es kein Halten mehr: Die Jugendlichen standen auf, verteilten sich und sangen mit solcher Überzeugung mit ihrem ganzen Körper!
So wie das FAS-Schulkonzept und die vielen Freiheiten die chinesischen Jugendlichen tief beeindruckt haben, so hinterließen auch sie an der FAS einen tiefen Eindruck. Der Impuls, selbst zu singen und auch mit anderen mehrstimmig, wurde in der nächsten Woche gleich von ein paar Sekundaria-Schülerinnen der FAS aufgenommen.
Isabel Kaufhold (Pädagogin an der FAS): „Dieser chinesische Schulchor sang mit so viel Lebendigkeit, Freude und Intensität! Von der musikalischen Qualität ganz zu schweigen, mit der ich gar nicht gerechnet hatte und von denen viele deutsche Schulchöre nur träumen können.“
Austausch und Einladung nach China
In einer anschließenden Austauschrunde versuchten die SchülerInnen mehr das andere, fremde Land zu verstehen und es wurden viele Fragen gestellt: „Wie sehen die Chinesen die Deutschen? Was gibt es da für Klischees? Muss eine Schuluniform getragen werden?“
Auf jeden Fall war einigen Kindern der FAS klar: Wir wollen unsere Gäste auch mal in China besuchen! Und bekamen prompt die Einladung: Wir freuen uns, wenn ihr uns besucht, ihr seid herzlich eingeladen!
Sichtlich erfreut über die vielen Eindrücke, die sie gewinnen konnten und der ungläubigen Erkenntnis, dass Schule auch so ganz anders sein kann, stiegen die Besucher nach drei Stunden in den Bus für die Weiterfahrt nach Italien.
In diesem Sinne: Zàijiàn und bis zum nächsten Mal!