Der Freie Aktive Kindergarten an der FAS trägt ebenso wie die Schule das „aktiv“ in seinem Namen. Es wird also viel Wert auf Aktivität gelegt. Auch die Naturpädagogik wird groß geschrieben. Einmal die Woche gibt es zum Beispiel den Waldtag, an dem die Kinder sehr aktiv und an einem besonderen Ort draußen sein können. Doch warum gibt es diesen Waldtag? Und was gibt es dort alltägliches und trotzdem spannendes zu entdecken? Darüber schreibt heute Sören auf dem Blog.
Ein Gastbeitrag von Sören, Begleiter im Freien Aktiven Kindergarten
Warum machen wir im Kindergarten regelmäßig einen Waldtag?
Seit 9 Jahren besteht bei uns die Tradition, dass wir einmal in der Woche alle gemeinsam den Vormittag im Wald verbringen. Woche für Woche. Und dann auch noch bei jedem Wetter! Ausnahmen von dieser Regel gab es in der ganzen Zeit nur bei schwerem Unwetter, außergewöhnlichen Festlichkeiten oder wenn wir stattdessen einen Ausflug ins Museum oder ins Theater machten.
Gefühlter Widerstand von allen Seiten
Immer handeln wir dabei auch gegen den gefühlten Widerstand von einigen Kindern und Eltern. Kinder argumentieren meistens: „Ich will nicht in den Wald, da ist es voll doof! Ich hasse den Wald!“ Womit sie wahrscheinlich (meine Interpretation) zum Ausdruck bringen wollen: „Mein Bedürfnis wäre heute eher wieder mich mit all den Spielsachen, Rückzugsmöglichkeiten und Angeboten leicht bekleidet, auf Socken rutschend im Kindergarten aufzuhalten, oder höchstens im Außengelände, da haben wir wenigstens auch noch einen Haufen vorgefertigte, bekannte Spielmöglichkeiten und müssen nicht so weit laufen.“ Eltern argumentieren meistens: „Mein Kind hat gestern noch gehustet und heute ist es ja schon ein bisschen kalt draußen…“, oder „Ich hätte ja eigentlich schon was zu tun, möchte aber nicht gegen den Willen meines Kindes handeln, also darf es zu Hause bleiben.“
Aber der Waldtag ist für uns Begleiter selbstverständlich geworden und so helfen wir jedem Kind voller Verständnis, Geduld und Empathie jeden Donnerstag wieder in die passende Kleidung, sorgen dafür, dass wir alles mitnehmen, was wir brauchen und dann – dann geht es los!
Gemeinsam draußen ankommen
Viele Kinder rennen erst mal, sobald das Tor aufgeht – Weite, Platz, Raum, Energie die raus kann! Jede Pfütze, jeder Stein wird inspiziert – was gibt es heute zu entdecken? Die Kinder laufen voraus oder an unserer Seite, kümmern sich um den Bollerwagen, machen Wettrennen, suchen und finden beständig ein neues Ziel. Ein kleiner Teich an dem wir auf dem Weg in den Wald immer vorbei kommen wird regelmäßig aufgesucht und betrachtet – was hat sich verändert? Welche kleinen Tierchen finden wir heute vielleicht darin?
Erst nach diesem „Draußen ankommen“ entscheiden wir gemeinsam mit den Kindern, wo genau wir heute hin gehen, oft stimmen wir ab. Es gibt zwei unterschiedliche „Basislager“, die wir ansteuern können. Haben wir eine Entscheidung getroffen, fangen die Kinder oft schon an zu überlegen, was sie dort tun wollen, tun können. Sie schmieden Pläne, teilen sich mit, stimmen sich mit ihren Freunden ab.
In Beziehung gehen durch miteinander gehen
Beim Miteinander laufen gehen wir in Beziehung, egal ob schweigend oder redend. Miteinander gehen bedeutet gemeinsam unterwegs zu sein, aufeinander zu warten, sein eigenes Tempo zu bestimmen und dennoch den Weg als Gruppe zu bestreiten. Das „Abenteuer im Kopf“ beginnt meistens dann, wenn wir den Waldweg betreten. Die Stimmung verändert sich merklich, ein Aufatmen, ein Loslassen, Entspannen. Die Sinne werden schärfer – der Jäger und Sammler in jedem Menschenkind erwacht.
Manche brauchen sofort einen Stock, andere Suchen ihn sich erst zum Mitnehmen auf dem Heimweg. Die Kinder kennen die Regel, dass sie alles, was sie aus dem Wald mit nach Hause nehmen wollen (Stöcke, Zapfen, Steine) selber im Rucksack tragen müssen. Was haben wir schon für schwere Rucksäcke gehabt! In unserer Garderobe findet sich immer das ein oder andere Überbleibsel dieser Waldsouvenirs.
Freiraum, Spielraum, Lebensraum Wald
Der Wald ist ein gewaltiger Freiraum, der alles zulässt, alle Gefühle aufnehmen kann. Schreien oder Weinen kann hier frei fließen und von allen gut ausgehalten werden. Es wird im Blätterdach gefiltert zu einem Geräusch des Lebens, nicht wie in einem Raum zu einer Zerreißprobe für die Nerven. Lachen, toben und übermütig sein – auch hierfür hat man im Wald mehr Platz. Kinder können sich aus dem Weg gehen und fallen weich, wenn sie fallen. Es können unzählige kleine, private Räume aufgemacht werden.
Was die Kinder so im Wald machen? Das gleiche wie im Kindergarten: Sie sind Kinder. Sie spielen, erfinden, erforschen, erleben und gestalten auf unzählige verschiedene Arten. Nur eben in einer natürlichen Umgebung, statt in einer künstlichen. Das mitgebrachte Vesper schmeckt hier an der frischen Luft anders, auch der Hunger fühlt sich anders an.
Und dann kommen auch immer regelmäßig die kostbaren Momente der Stille: Kinder, die einfach nur fühlen, tasten, schauen, staunen, bewundern, lauschen, in die Kronen starren. Diese Momente kommen von selbst, aus den Kindern heraus.
Deja Vue: Gefühlter Widerstand
Wenn wir wieder aufbrechen müssen, um zum Mittagessen zurück im Kindergarten zu sein, wiederholt sich nicht selten die gleiche Prozedur wie am morgen – nur dass diesmal die Kinder „Ich will noch hier bleiben!“ sagen. Wenn wir wieder am Kindergarten sind gibt es immer ein paar Kinder, die es auf einmal gar nicht mehr eilig haben rein zu kommen, egal wie kalt es ist.
„Und wie war es?“ fragen dann viele Eltern beim Abholen ihre Kinder, die sie morgens motzend zurück lassen mussten. „Schööööööön.“…