Schule

Referat über Picasso – (m)eine Träumerei

Referat über Picasso - eine Träumerei

Damals, in den 90er Jahren, als ich irgendwo in Süddeutschland auf eine ganz durchschnittliche Regelschule in die Mittelstufe gegangen bin. Damals sollten wir Schüler alle ein Referat in Deutsch halten. Das Thema für mein 5-Minuten-Referat war Pablo Picasso. Ich ging also in die Bücherei, lieh mir Band 1 und 2 von einer Picasso-Biografie aus. Groß, dick, umfangreich und wunderschön bebildert lagen die beiden Bände vor mir.

Wo fange ich an? Wo höre ich auf?

Die Bücher hatten nicht umsonst so viele Seiten. Picasso war ein gewaltiger Künstler – sowohl in seiner Schaffenskraft, als auch in den Ausmaßen seines Werkes. Er erfand sich lebenslang immer wieder neu. Es gibt viele unterschiedliche Stile, die er in seiner Lebenszeit entwickelt, gemalt und erschaffen hat. Schätzungweise rund 50.000 Werke sind durch ihn entstanden. Ich wiederhole fünfzigtausend! Sein Leben war lang, bunt, wild und ist eng mit seinem Werk verknüpft. Gewaltige Ausmaße für einen Teenager, der ein Referat halten soll.

Ich arbeitete mich gewissenhaft durch die Masse an Informationen, schrieb fleißig auf, was ich las. Meine Mitschüler fingen währenddessen an ihre Referate zu halten, ich las immer noch das Buch und schrieb zusammen. Irgendwann verschob ich meinen Termin nach hinten, um mehr Zeit zu haben. Dann verlor ich den Überblick und die Lust. Ich ignorierte die beiden Bücher und den Referatstermin. Wochenlang. Und irgendwann arbeitete ich doch wieder weiter.

Schließlich hielt ich mein Referat in der allerletzten Deutschstunde vor den Sommerferien. Gefühlt waren alle schon in den Sommerferien. Nur ich noch nicht. Ich war aufgeregt und überzog gnadenlos die Zeit. Aus den 5 Minuten Vortragszeit wurden über 30 Minuten. Aus vier Tischreihen schauten mich 30 desinteressierte, gelangweilte Augenpaare (nicht) an. Meine Klassenkameraden waren kurz vorm Einschlafen und hörten mir (nicht) zu. Mein Lehrer versuchte mich ein, zwei Mal in meiner Begeisterung zu bremsen und an das Zeitlimit zu erinnern. Vergeblich.

Wie macht man das heute?

Viele Jahre später, sitze ich an einem Hospitationstag in der FAS und fühle mich an mein Referat von damals erinnert. Zwei Kinder aus der Sekundaria haben etwas über Pyramiden vorbereitet und erzählen es ihren Zuhörern. Alle sitzen im offenen Kreis auf dem Boden, zwischen ihnen viele Bilder und Unterlagen zum Thema Pyramiden. Der Begleiter sitzt mit in der Runde. Er stellt immer wieder Fragen oder erzählt, wie er selbst einmal in einer Pyramide stand. Was für Ausmaße sie hatte und warum es Gucklöcher zu den Sternen gab. Es ist spannend, keiner langweilt sich. Gemeinsam erarbeiten sie sich die Pyramiden mit drei Experten – der Begleiter und die Kinder, die das Thema vorbereitet haben – in ihrer Mitte. Es ist eine konstruktive Runde auf Augenhöhe, die Kinder werden als Experten vom Begleiter wahrgenommen und angesprochen. Er unterstützt sie mit seinem Hintergrundwissen, stellt die richtigen Fragen, um die Kinder zu den Kernaussagen und wichtigsten Inhalten voran zu bringen. Manchmal hilft er mit seinem Wissen weiter.

Ich frage mich: Was wäre, wenn ich damals nicht auf eine Regelschule gegangen wäre, sondern auf so eine Schule wie die Freie Aktive Schule? Ich werde fast ein wenig traurig – und gestatte mir eine kleine Träumerei.

Was wäre, wenn…?

Was wäre also gewesen, wenn ich auf eine Schule wie die FAS gegangen wäre? Wäre meine Vorbereitung eine andere gewesen? Vermutlich nicht. Auch an der FAS höre ich von Kindern, die sich verzetteln, denen das Thema zu viel wird, die keine Lust mehr haben. Manche brechen ihre Arbeit dann ab, andere schaffen es wieder weiter zu machen, so wie ich damals.

Hätte ich mich trotzdem verzettelt und mein Referat zu ausführlich gemacht? Jaein. Die schiere Masse an Informationen bei Picasso (und anderen Themen) ist einfach schwierig zu bewältigen. Auch an der FAS wäre mein Referat vermutlich zu ausführlich angelegt gewesen. Hier wird jedoch vieles im Dialog erarbeitet. Keiner der Zuhörer hätte sich langweilen müssen, da die Kinder an der FAS nicht einfach nur sitzen und Wissen rezipieren, sondern es gewohnt sind sich Dinge gemeinsam zu erarbeiten. Sie hätten nachgefragt, wir wären ins Gespräch gekommen. Ich wäre vielleicht nicht durch meinen vorbereiteten Referatstext durchgekommen. Aber alle hätten etwas mitnehmen können.

Etwas mitgenommen habe ich von damals auch, ja. Mir ist ein großes Detailwissen zu Picasso geblieben: Rosa und Blaue Phase, Kubismus oder Guernica sind für mich keine Fremdwörter. Ich liebe sein Werk bis heute und schaue mir gern eine Dokumentation zu ihm an, wenn sie im Fernsehen läuft. Aber auch ein Gefühl der Beschämung ist mir bis heute geblieben. Mein Note war zwar ein „sehr gut“, aber es fühlte sich trotzdem wie eine Niederlage an. Bis heute erinnere ich mich an mein peinliches berührt sein nach dieser Schulstunde. Hätte ich dieses Gefühl auch an der FAS erlebt? Ich vermute nicht.

Und ihr so?

Hattet ihr auch schon mal solche Erlebnisse bei einer Hospitation an der FAS? Oder an einer anderen Schule? Zurück geworfen auf die eigene Schulzeit. Etwas traurig in der Rückschau und mit der Frage im Herzen: „Was wäre, wenn ich an einer Schule wie der FAS gewesen wäre?“ Schreibt uns gerne eure Geschichte in die Kommentare.

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